Bei ihrem jüngsten Wurf zielen die Australier von Tin Man Games (@TinManGames) inhaltlich in eine andere Richtung als üblich. Bei ihrer neuesten Spielbuchumsetzung erkunden Spieler nicht Fantasy-Klassiker sondern wandeln auf Pfaden der Weltliteratur. Grundsätzlich zumindest, denn Ryan North’s To Be or Not To Be [App Store] nimmt sich weitreichende Freiheiten bei der Interpretation von Shakespeares Tragödie Hamlet. Wahlweise als Hamlet, dessen Vater oder der schnieken Ophelia darf man den intriganten Wahnsinn im dänischen Königshaus erleben.
Wem der Name Ryan North, der für das Webcomic Dinosaur Comics verantwortlich ist, nicht Signal genug ist, der wird spätestens beim Prolog eingenordet. Shakespeare wird als Plagiator dargestellt, dessen Hamlet tatsächlich auf dem Spielbuch To Be or Not To Be basiert. Wenn der Spieler bei seinen Entscheidungen einem Pfad aus Schädel-Symbolen folgt, bleibt er enger am Original. Lesezeichen helfen dabei, von entscheidenden Stellen aus andere Pfade durch den Geschichtsdschungel einzuschlagen – und die Umwege lohnen sich!
Tipp für Tipp liest man sich durch wohl proportionierte Textkästen. Aufgelockert wird die Bleiwüste durch Illustrationen von Künstlern wie Matthew Inman, Randall Munroe und Ethan Nicolle. Diese sind ähnlich unterhaltsam wie die Adaption des Geschehens, wenn man sich beispielsweise nach dem Ableben dafür entscheiden kann tot zu bleiben, oder als Geist durch die Welt zu wandeln; zudem North’s mäandernder Stil, der immer werksfremde Weisheiten in die Handlung einfließen lässt, die den Verlauf des großen Stücks ironisch brechen.
Hinsichtlich des Spielflusses machen Tin Man Games einen Schritt zu auf die Titel von Inkle. Wenngleich die Möglichkeiten hier nicht so weitreichend sind, wie in 80 Days, ist Ryan North’s To Be or Not To Be der bislang beste Titel der Australier. Mehr noch als Appointment with F.E.A.R. ist To Be or Not To Be vor allem aufgrund der Geschliffenheit der Dialoge und der vorbildlichen Verdaulichkeit der Witzigkeit der Texthappen eine uneingeschränkte Empfehlung – auch für Spieler, die denken, Shakespeare sei überholt. Nie war ein dramatischer Klassiker so unterhaltsam.
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