Das Apple TV ist DOOMed

Eine verrückte Geschichte auf Touch Arcade: Ein findiger Entwickler hat Doom 3 und Return to Castle Wolfenstein (RTCW) auf das Apple TV portiert; Controller-Unterstützung inklusive. Ein beeindruckender Beweis dafür, was Apples Set-Top-Box zu leisten in der Lage ist. Fraglich, ob es jemals zu einer offiziellen Veröffentlichung der Titel kommen wird. Allerdings gibt die Geschichte auch Anlass, über das Apple TV in Allgemeinen und dessen Scheitern im besonderen zu Schreiben. Durch zahlreiche (politische) (Fehl-) Entscheidungen hat Apple eine Plattform mit Potenzial aufs Abstellgleis verfrachtet.

Ein Blick zurück auf den Niedergang eines Hoffnungsträgers:

Die vierte Generation des Apple TV, die 2015 auf den Markt kam, unterschied sich in vielfacher Hinsicht von ihren Vorgängern. Vor allem die Neuerungen bei der Software sorgten dafür, dass das Apple TV nicht mehr nur eine (bis in die zweite Generation mit einem Jailbreak erweiterbare) Set-Top-Box für die Medienwiedergabe war, sondern das Potenzial zu Heimkonsole hatte:

  • der neuen tvOS-App-Store bot Nutzern die Möglichkeit, Spiele und Anwendungen auf dem Apple TV zu installieren.
  • das neue Betriebssystem tvOS schlug eine Brücke zu iOS. Entwicklern bot sich mit dem neuen Apple TV die Möglichkeit, bestehende Titel mit überschaubarem Aufwand auf die neue Plattform zu portieren.
  • durch die Unterstützung von iCloud ermöglichte es das neue Apple TV, ohne Zutun des Nutzers Daten zwischen iPhone, iPad und Apple TV auszutauschen. So wurde es möglich, ein unterwegs begonnenes Spiel am Fernseher im Wohnzimmer fortzusetzen.
  • die neue Fernbedienung Siri-Remote eröffnete mit Touch-Oberfläche und Neigungssensoren innovative Bedienungsmöglichkeiten.
  • die Unterstützung für Mfi-Controller eröffnete die Möglichkeit, auch Titel mit komplexer Steuerung für das Apple TV umzusetzen.

In der Summe hatte das Apple TV das Potenzial zur idealen Ergänzung für iOS-Spieler; Potenzial das Apple jedoch nicht ausschöpfte und das Nintendo zwei Jahre später (2017) mit seiner Switch realisierte.

Nach einem beachtlichen Start, zu dem vor allem die Entwickler mit ihren Portierungen beitrugen, flachte das Interesse am Apple TV schnell wieder ab. Grund dafür waren zahlreiche Fehlentscheidungen von Apple:

  • Die Siri Remote erweis sich als praktisch, um Touch-Eingaben von iPhone und iPad zu adaptieren. Im Hinblick auf den großen Erfolg der Nintendo Wii (daher im Start-Lineup des Apple TV auch Beat Sports) erschien die Bewegungssteuerung ebenfalls als sinnvoll. Der entscheidende Fehler Apples war es allerdings, darauf zu bestehen, dass Titel für das Apple TV die Siri Remote unterstützen mussten. Für zahlreiche Spiele erwies sich die Steuerung mit der Siri Remote nämlich als völlig ungeeignet. Als Apple die restriktive Vorgabe im Juni 2016 kassierte, war es bereits zu spät.
  • Spieler, die vorrangig daran interessiert waren, Spiele mit einem Controller zu spielen, hatten (und haben bis dato) keine Möglichkeit, gezielt nach diesen zu Suchen. Selbst nach dem Ablassen von der Exklusivität der Siri-Remote verzichtete Apple darauf, mit Controllern steuerbare Spiele im App Store hervorzuheben oder gar in einer eigenen Sektion zu gruppieren.
  • Wie bei iOS über ließ Apple Dritthersteller Eingabegeräte zu produzieren. Auch ein Hardware-Bundle – beispielsweise mit dem allseits gelobten SteelSeries Stratus – hätte dazu beitragen können, das Apple TV als eine Spielekonsole zu etablieren oder zumindest als solche erscheinen zu lassen. Nie kam ein solches Bundle mit dem sogar in den Apple Stores vertriebenen SteelSeries Stratus auf den Markt.
  • Um sein Apple TV für an einer Controller-Steuerung interessierten Spielern attraktiver zu machen, hätte Apple (wie auf Android Systemen üblich) die Software-Schnittstellen derart anpassen können, eine Kompatibilität zu den verbreiteten Controllern von Sony oder Microsoft zuzulassen. Stattdessen besteht Apple auf seinem eigenen Protokoll und nötigt Interessierte zum Hardwarekauf.
  • Während Nintendo seine Konsole Switch dadurch vermarktete, dass diese als Zwitter sowohl zum stationären wie auch dem mobilen Spielen geeignet war, verpasste Apple diesen Zug. Wenngleich mit Apple TV, iCloud, iPad und Controller-Unterstützung alle Elemente zur Verfügung standen, hat Apple es verpasst, sein Ökosystem als Switch-Konkurrenten – das Spiel aus dem Wohnzimmer einfach mitnehmen – zu etablieren.
  • Im Vergleich mit den Konkurrenten Amazon FireTV und Google Chromecast ist das Apple TV aberwitzig überteuert. Im Vergleich mit den Konsolen von Sony, Microsoft und Nintendo zwar vergleichsweise günstig – allerdings nicht in der Lage, eine vergleichbare Leistung zu liefern. Apple hat sein Gerät preislich denkbar ungünstig positioniert.
  • Die redaktionelle Pflege, die Apple dem Apple TV Store zu Teil werden lässt, ist eine Katastrophe. Auf der Startseite werden Jahre alte Titel beworben, anstatt die spärlichen Neuerscheinungen vorzustellen oder Spieler mit Themenwelten zu interessanten Titeln zu führen.

Wie schlecht es um das Apple TV steht, illustriert der kurzlebige Auftritt von Minecraft. Wenngleich es bereits iOS-Umsetzungen gab, dauerte es lange, bis der Titel endlich für das Apple TV verfügbar war – was auch für die geringe wirtschaftliche Bedeutung der Plattform spricht. Angekündigt wurde das Erscheinen im Scheinwerferlicht einer Hausveranstaltung am 27. Oktober 2016. Bis zum Erscheinen sollte es noch bis zum Ende des Jahres dauern. Was erschien, war eine Apple-TV-exklusive Version des Spiels, Nutzer der iOS-Versionen mussten erneut für das Spiel bezahlen. Mit einem Preis von knapp 22 Euro zudem ein Vielfaches. Etwa zwei Jahre nach der Ankündigung, im Oktober 2018, kündigten die Entwickler das Ende der Apple-TV-Version an. Die Ressourcen würden anderweitig benötigt – so unbedeutend ist das Apple TV mittlerweile.

Nach anfänglicher Euphorie – es erschien 2015 sogar eine Version von Guitar Hero (Guitar Hero Live) mit Bluetooth-Gitarre für das Apple TV – haben die großen Hersteller das Vertrauen in die Plattform verloren. Nicht einmal vergleichsweise einfach zu portierende und auf iOS erfolgreiche Top-Titel wie Fortnite, PUBG oder Brawl Stars werden für das Apple TV umgesetzt.

Es gibt durchaus gelungene Umsetzungen von Top-Titeln, die – neben den eingangs erwähnten Umsetzungen von Doom 3 und RCW das Potenzial des Apple TV als Heimkonsole zeigen:

Dandara [App Store]
Octodad: Dadliest Catch [App Store]
Transistor [App Store]
PAC-MAN CE DX [App Store]
Evoland 2 [App Store]
Broken Age [App Store]
Inside [App Store]

Allerdings ist fraglich, wie lange die Entwickler der Plattform die Treue halten, denn der wirtschaftliche Ertrag dürfte in keinem Verhältnis zum Erlös stehen.

Die besten Spiele für das Apple TV sind auf einer Stromstock-Sonderseite zusammengetragen.

Apple hat Videospiele und Videospieler nie verstanden oder sich erkennbar um Verständnis bemüht. Als überteuertes Gerät zur Medienwiedergabe durchaus annehmbar, scheint das Ende des Apple TV abzusehen, zumal Apple durch die Lizenzierung von AirPlay 2 an Hersteller von Fernsehern wie Sony, Samsung und LG seine Hardware weitgehend überflüssig macht.

Auf eine letzte Runde Barbearian.

Ruhe in Frieden, Apple TV.